Tourismusbranche weiter in schwierigem Fahrwasser

Stimmungshoch im Sommer bei großen regionalen Unterschieden

Das Gastgewerbe in Niedersachen erzielte im Sommer und Herbst wichtige Einnahmen. Doch nicht alle Betriebe konnten davon gleichermaßen profitieren. So ist die Lage an der Nordseeküste beispielsweise besser als in weniger touristisch geprägten Regionen. Insbesondere Campingplätze konnten höhere Umsätze erzielen als andere Beherbergungsbetriebe. Vor allem für Reisebüros und Reiseveranstalter ist die Situation weiterhin bedrohlich. Das geht aus der aktuellen Saisonumfrage der Hotel- und Gaststättenbetriebe in Niedersachsen hervor, die die IHK Niedersachsen (IHKN) zweimal im Jahr durchführt.
„Vor allem die Nordseeküste als Urlaubsregion hat von einer guten Sommersaison profitiert. Betriebe, die mehr von Geschäftsreisenden abhängen und Landgasthöfe, denen größere private Veranstaltungen weggebrochen sind, sehen ihre aktuelle Geschäftslage und auch ihre Aussichten für die kommende Zeit wesentlich düsterer“, so IHKN-Hauptgeschäftsführer Hendrik Schmitt. Und auch der Lockdown Light trage nicht zu einer besseren Stimmung bei den Betrieben bei.
64 Prozent der Befragten nennen als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung ihres eigenen Unternehmens die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in der Corona-Pandemie. Jahrelang war der Fachkräftemangel das dominierende Thema im Tourismus. Nun liegt er mit 44,2 Prozent hinter der Inlandsnachfrage (44,8 Prozent) auf Platz drei. Dahinter folgen Arbeitskosten (42,1 %), Auslandsnachfrage (35,6 %), Energiepreise (30,1 %) und Finanzierung (24,9 %).
„Daran ist deutlich zu sehen, dass die Corona-Pandemie weiterhin das beherrschende Thema ist. Für eine Reihe von Betrieben hat sich in diesem Sommer aber auch der Mangel an Arbeitskräften wieder gezeigt. Arbeitskosten und Energiepreise sind dagegen wieder in den Hintergrund getreten“, so IHKN-Tourismussprecher Arno Ulrichs.
Mit einer Rückkehr zur normalen Geschäftstätigkeit rechnen die meisten Betriebe erst für das zweite Halbjahr 2021 oder später (jeweils ca. 25 Prozent). 20 Prozent geben an, dass eine Einschätzung derzeit nicht möglich ist. Dies spiegelt auch die große Verunsicherung in der Branche und die mangelnde Planungssicherheit wider. Im Sommer war die Hoffnung noch größer: Damals rechneten drei Viertel der Befragten mit einer Rückkehr zur Normalität im Laufe des Jahres 2021.
„Die Betriebe brauchen Planungssicherheit“, fordert IHKN-Hauptgeschäftsführer Schmitt. „Es ist allen klar, dass eine Pandemie nicht planbar ist, aber zumindest einen Fahrplan mit verlässlichen Szenarien braucht die Wirtschaft“, so Schmitt. „In der jetzigen heißen Phase der Pandemie ist schnelle und flexible Unterstützung für die niedersächsische Tourismusbranche essenziell.“
Bei der Reisebranche zeigt sich ein düsteres Bild. 88,7 Prozent der Unternehmen betrachten ihre derzeitige Geschäftslage als schlecht. Bei 96,7 Prozent ist der Umsatz zurückgegangen, bei Reisebüros und Reiseveranstaltern war dies bei 100 Prozent der Fall, bei den Omnibusunternehmen sieht die Lage ein bisschen besser aus (91,7). Der Klimaindex sank hier weiter von zuletzt 32,9 auf nunmehr 20,1 Punkte. Alarmierend ist, dass fast 30 Prozent von einer drohenden Insolvenz sprechen.
Eine Übersicht der Ergebnisse der aktuellen Saisonumfrage können Sie hier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 503 KB)einsehen.
Anhang: Weitere Informationen zu den Umfrage-Ergebnissen
Knapp ein Viertel der befragten Unternehmen beurteilen die Sommersaison als gut, 33 Prozent als befriedigend. Das bedeutet, dass 44 Prozent die Saison als schlecht empfunden haben. So ging bei 81,7 Prozent der Unternehmen der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Trotz der schwierigen Umstände konnten immerhin 8,9 Prozent eine Umsatzsteigerung verzeichnen. Die Auslastung lag im Durchschnitt bei 48,8 Prozent und damit 12 Prozent niedriger als im Vorjahr.
Auch die zukünftige Geschäftslage schätzen 71,4 Prozent der Betriebe als ungünstiger ein, nur 9,9 Prozent rechnen mit einer Verbesserung. Die Aussichten sind damit aber besser als noch im Sommer. Der Klimaindex stieg wieder von 48,6 auf 55,5 Punkte. Zum Vergleich: Vor der Corona-Pandemie lag er im Herbst 2019 bei 127 Punkten.
Ein Großteil der Unternehmen spürt noch Auswirkungen der Corona-Pandemie in Form von einem Rückgang von Aufträgen durch die Kunden (74,9 %), einer geringeren Nachfrage (67,4 %) oder gar einem Stillstand der Geschäftstätigkeit (25,8 %). Dies wirkt sich auch auf die Finanzlage aus. Aktuell beklagen 30,8 Prozent der Unternehmen Liquiditätsengpässe. Knapp 20 Prozent der Unternehmen verspüren keine negativen Auswirkungen auf ihre aktuelle Finanzlage. Dazu passt auch, dass im Vergleich zu anderen Umfragen „nur“ 11,2 Prozent angeben, sich von einer Insolvenz bedroht zu sehen.
Dazu IHKN-Sprecher Ulrichs: „Im Vergleich zur letzten Umfrage zeigt sich ein sehr differenziertes Bild. So haben sich die negativen Auswirkungen bei einem Teil der Unternehmen verringert, gleichzeitig sehen sich aber mehr Unternehmen von einer Insolvenz bedroht. Es zeigt sich ganz klar, dass sich die Auswirkungen innerhalb der Branche stark unterscheiden.“
Vor allem die Campingbranche konnte auch im Sommer und Herbst gute Einnahmen erzielen. So beschreiben zwei Drittel der Befragten die Geschäftslage als gut, nur drei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Auch die Auslastung reichte fast an die des Vorjahres heran. So ist auch die Stimmung in der Teilbranche gut, erwarten 45,5 Prozent, dass sich die Geschäftslage positiv entwickeln wird und stieg der Klimaindex von 101,8 auf 136,8 Punkte und damit nur 10 Punkte niedriger als im Vorjahr und damit vor Corona. Auch die Finanzlage ist gut, fast jeder zweite gibt an, keine negativen Auswirkungen auf die aktuelle Finanzlage zu haben. Mehr als die Hälfte rechnen für 2020 mit einem Umsatzrückgang von maximal 25 Prozent, 41,6 Prozent gaben an, dass die Geschäftslage bereits wieder auf Vor-Corona-Niveau sei.
Ein Viertel der befragten Unternehmen erwartet für das Gesamtjahr 2020 einen Umsatzrückgang von mehr als 50 Prozent. 42,8 Prozent erwarten einen Umsatzrückgang von 25-50 Prozent. Weitere 18,5 Prozent gehen von einem Umsatzrückgang von 10-25 Prozent aus. Im Sommer erwarteten noch mehr als die Hälfte einen Rückgang von mehr als 50 Prozent, weitere 35,4 Prozent einen Rückgang von 25-50 Prozent. Viele Betriebe konnten im Sommer und Herbst noch gute Umsätze erzielen. Die Verluste aus dem Frühjahr lassen sich bei den meisten aber nicht wieder aufholen. Und mit dem Lockdown Light hat sich die Lage für eine Reihe von Betrieben weiter verschlechtert.

Methodischer Hinweis
Die Umfrage wurde vom 7. Oktober bis 6. November 2020 durchgeführt und schloss damit die Entscheidung über den Lockdown Light in den Befragungszeitraum ein. Eine Zwischenauswertung zeigt, dass fast alle Werte vor Ankündigung des erneuten Lockdowns leicht besser waren als die Ergebnisse des Gesamtzeitraums.
An der Umfrage beteiligten sich 595 Betriebe aus Hotellerie, Gastronomie und Campingwirtschaft sowie 186 Reisebüros und -veranstalter. Die niedersächsischen IHKs befragen halbjährlich Mitgliedsbetriebe aus Beherbergung und Gastronomie sowie Reisebüros und Reiseveranstalter. Wechselnde Zusatzfragen geben Auskunft über aktuelle Branchenthemen aus Sicht der niedersächsischen Tourismuswirtschaft.
Die IHK Niedersachsen ist die Landesarbeitsgemeinschaft der IHK Braunschweig, IHK Hannover, IHK Lüneburg-Wolfsburg, Oldenburgischen IHK, IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim, IHK für Ostfriesland und Papenburg sowie IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum. Sie vertritt rund 495.000 gewerbliche Unternehmen gegenüber Politik und Verwaltung.
*Hannover, 7.12.2020*