Talfahrt statt Aufbruch
Die Hoffnungen auf eine Belebung der Konjunktur in Niedersachsen durch die ersten Maßnahmen der neuen Bundesregierung wurden enttäuscht. Tatsächlich dominieren Auftragsrückgänge statt Aufbruchstimmung. Unter dem Eindruck ausbleibender durchgreifender Reformen haben sich die Geschäftslage und die Erwartungen im dritten Quartal abgeschwächt. “Wirtschaftspolitik muss nicht nur angekündigt, sondern auch zügig umgesetzt werden. Die Talfahrt der Industrie können wir mit den Inhalten und dem aktuellen Tempo der Reformen nicht stoppen”, so Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen. Der IHK-Konjunkturklimaindikator für das dritte Quartal 2025 fällt um sieben auf 85 Punkte (Vorquartal: 92 Pkt.). Das ergab die Konjunkturumfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern bei gut 2.200 Unternehmen.
Die aktuelle Geschäftslage wird im Herbst schlechter eingeschätzt als im Sommer. 19 Prozent (Vorquartal: 21 %) der Unternehmen sehen die Lage als gut an, 52 Prozent (Vq. 54 %) sind zufrieden und 29 Prozent (Vq. 24 %) beurteilen ihre Lage als schlecht. Die Erwartungen an die kommenden Monate fallen ebenfalls schwächer aus: 11 Prozent der Unternehmen (Vq. 13 %) rechnen mit einer günstigeren Geschäftsentwicklung, 59 Prozent (Vq. 60 %) erwarten gleichbleibende Geschäfte und 30 Prozent (Vq. 27 %) rechnen mit einer ungünstigen Entwicklung. Die wichtigen Planungsindikatoren zu Investitionen und Personal haben sich ähnlich abgeschwächt. Bemerkenswert ist, dass trotz der neuen Zollsätze im wichtigen USA-Geschäft die gesamten Exporterwartungen auf niedrigem Niveau stabil bleiben. Die Konjunkturschwäche kann damit nicht mehr auf die Unklarheiten bei Zöllen zurückgeführt werden.
Die Industrie hatte im dritten Quartal wieder stärkeren Gegenwind. Die Auftragseingänge gingen mit Ausnahme der Lebensmittelhersteller zurück, die Auftragsbestände sind bei knapp jedem zweiten Industriebetrieb zu gering. Die Investitionsgüterhersteller (Automotive, Maschinenbau) müssen sich mit Zöllen im USA-Geschäft arrangieren, was den Unternehmen aufgrund des Preisdrucks und steigender Arbeitskosten viel abverlangt. Fels in der Brandung und konjunkturstabil bleibt das niedersächsische Ernährungsgewerbe, die zweitgrößte Industriebranche des Landes.
Die Bauwirtschaft zeigt nach wie vor ein geteiltes Bild. Dem Hochbau und vor allem dem Wohnungsbau fehlen Aufträge. Der Tiefbau (Straßen, Brücken, Leitungen) berichtet dagegen von guten Geschäften. Die Planungen der Öffentlichen Hand für das Sondervermögen für Infrastruktur stehen allerdings erst am Anfang, konkrete Aufträge sind bei den Unternehmen noch nicht angekommen.
Die Geschäftslage im Einzelhandel hat sich wieder verschlechtert und ist sogar hinter das Niveau des Vorjahres gefallen. Die ohnehin schon geringe Konsumneigung hat ebenfalls erkennbar abgenommen. Für die kommenden Monate rechnet der Einzelhandel mit schwächerem Geschäft. Die Geschäfte des Großhandels laufen sowohl im Industriegeschäft als auch im Bereich der Konsumgüter schleppend.
Der Rückgang der industriellen Produktion hat zu einem geringeren Frachtvolumen im Verkehrsgewerbes geführt. Derzeit rechnen die Unternehmen auch nicht mit einer Zunahme des Beförderungsvolumens. Knapp jedes zweite Verkehrsunternehmen geht von steigenden Preisen aus.
Das Gastgewerbe war mit den Übernachtungszahlen im dritten Quartal zufrieden. Im Gegensatz dazu überwiegen im Restaurationsbereich aufgrund rückläufiger Umsätze die negativen Stimmen zur Geschäftslage. Für die Beherbergung wie für die Restauration wird mit einer schwächeren Entwicklung gerechnet. Mit der geplanten Umsatzsteuersenkung auf Speisen erwartet knapp jedes vierte Unternehmen Preissenkungen.
Weiterhin florierende Geschäfte melden die Finanzdienstleister. Bei den Kreditinstituten bleibt das Kreditgeschäft bei Privat- und Firmenkunden expansiv. Bei den Versicherungen wachsen Beitragseinnahmen und Neugeschäft, aber auch die Schadenszahlungen.
Der Dämpfer bei Industrie und Handel macht vor den Dienstleistungsunternehmen nicht halt. Die Auftragslage hat sich abgeschwächt, und die Umsätze waren rückläufig. Eine Wende zum Besseren wird für die kommenden Monate nicht erwartet.
Ausblick
„Die wirtschaftspolitischen Reformen müssen schnellstmöglich umgesetzt werden. Der Zustand des Standortes duldet keinen Aufschub“, sagte IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt. „Zu den Themen der ausbleibenden Investitionen, der überbordenden Bürokratie und der notwendigen Strukturreformen ist alles gesagt. Die Politik muss jetzt entscheiden und mutig umsetzen“, so die Einschätzung Bielfeldts.
IHK-Konjunkturklimaindikator für Niedersachsen
Der IHK-Konjunkturklimaindikator gibt die Einschätzung der Unternehmen der gegenwärtigen und der erwarteten Geschäftslage wieder.
Befragungszeitraum 18.09.2025 - 07.10.2025; 2.213 Unternehmensantworten
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Hannover, 10.10.2025