Warten auf den Befreiungsschlag
IHK-Konjunkturumfrage für Niedersachsen
Die Geschäftslage der niedersächsischen Wirtschaft hat sich aufgrund der anhaltenden Lockdown-Maßnahmen im ersten Quartal kaum verbessert. Die Erwartungen der Unternehmen bleiben aufgrund des immer noch unberechenbaren Fortgangs der Corona-Pandemie verhalten. Die Wirtschaft wartet sehnsüchtig auf den Erfolg der Impfkampagne und ein Ende der Einschränkungen in vielen Branchen, quasi auf einen Befreiungsschlag. „Wir haben weiterhin eine zweigeteilte Lage, die sich sogar noch verschärft hat. Drei Viertel der Unternehmen sind mit ihrer Geschäftslage zufrieden, die Industrie befindet sich im Aufschwung. Aber gleichzeitig stehen viele Einzelhändler und Dienstleister unverändert vor dem Ruin, da sie ihren Geschäften nur eingeschränkt oder gar nicht nachgehen dürfen. Die geplante Öffnung von Betrieben im Rahmen der Modellversuche würde jetzt eine Perspektive für den Einzelhandel eröffnen“, so Dr. Mirko-Daniel Hoppe, Sprecher für Konjunktur und Volkswirtschaft der IHK Niedersachsen. Die bessere Geschäftsentwicklung in der exportgetriebenen Industrie lässt den IHK-Konjunkturklimaindikator für das erste Quartal 2021 um fünf auf 96 Punkte (Vorquartal: 91 Pkt.) steigen. Das ist das Ergebnis der Konjunkturumfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern mit über 2.000 Unternehmensantworten.
Die Wirtschaftslage in Niedersachsen bleibt stark branchenabhängig. Während der Einzelhandel, das Gastgewerbe, verschiedene Dienstleister sowie Kunst & Kultur unter anhaltenden Beschränkungen leiden, meldet die Industrie eine Belebung der Nachfrage insbesondere aus dem Ausland. Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Die aktuelle Geschäftslage wird von 27 Prozent (Vorquartal: 28 %; Vorjahr: 16 %) der Unternehmen als gut beurteilt, 49 Prozent (Vq. 47; Vj. 42 %) sind zufrieden und 24 Prozent (Vq. 25 %; Vj. 42 %) beurteilen ihre Lage als schlecht. Die Erwartungen an die kommenden Monate haben sich verbessert: 20 Prozent der Unternehmen (Vq. 16 %; Vj. 6 %) rechnen mit einer günstigeren Geschäftsentwicklung, 51 Prozent (Vq. 49 %; Vj. 18 %) erwarten gleichbleibende Geschäfte und 29 Prozent (Vq. 35 %; Vj. 76 %) rechnen mit einer negativen Entwicklung. Die Daten zeigen, dass sich die aktuelle Geschäftslage insbesondere gegenüber dem Vorjahr stark verbessert hat und dass die Erwartungen sich gegenüber der sehr pessimistischen Vorjahresumfrage deutlich erhöht haben.
Die Investitions- und Personalplanungen wurden mit den gestiegenen Erwartungen im ersten Quartal leicht positiv angepasst und liegen wieder nahe dem langjährigen Durchschnitt. Die Personalplanungen sind damit aber trotz leichter Erholung immer noch auf Stelleneinsparungen ausgerichtet.
Die Industrie befindet sich im Aufschwung. Alle Indikatoren zeigen am Ende des ersten Quartals eine Expansion an. Diese positive Entwicklung spiegelt sich in höheren Auftragseingängen wider. Auch der Auftragsbestand wird von den Unternehmen in der Summe wieder positiv beurteilt. Die deutliche Belebung in der Industrie führt derzeit zu Materialknappheit und stark steigenden Rohstoff- und Vorproduktpreisen. Dies gilt nicht nur für typische Vorprodukte wie Metallerzeugnisse und Chemie, sondern beispielsweise auch für Steine und Erden, Holz und Papier. Auch der Bereich Automotive, die mit Abstand beschäftigungsstärkste Branche Niedersachsens, meldet eine Belebung des Geschäfts.
Der Boom der Bauwirtschaft läuft langsam aus. Die Auftragseingänge stagnieren, aber die Bauunternehmen verfügen weiterhin über ein gutes Auftragspolster. Gerade Wohnimmobilien bleiben gefragt und damit der Wachstumstreiber. Sorgen machen der Branche aber die Preiserhöhungen bei Baumaterialen und die zunehmende Knappheit bei Rohstoffen (Sand, Kies, Gips).
Der Einzelhandel – ohne Supermärkte und Apotheken – steht durch den Lockdown seit Mitte Dezember mit dem Rücken zur Wand. Knapp zwei Drittel der Fachhändler haben eine schlechte Geschäftslage. Zwar steht dem Einzelhandel in vielen Landkreisen neben dem Online-Geschäft der Verkauf per Click & Meet zur Verfügung, aber die Umsätze sind sehr bescheiden und können die Kosten nur teilweise decken. Bei etwa 17.000 Fachgeschäften in Niedersachsen wird deutlich, welch große Bedeutung die Überbrückungshilfe für die Existenz vieler Unternehmen hat. Der Großhandel ist nur bei Konsumgütern direkt von den Schließungen betroffen. Trotzdem sind in den meisten Großhandelsbereichen Lage und Erwartungen unterdurchschnittlich. Allein im Bereich der Rohstoffe und Halbwaren laufen die Geschäfte sichtbar besser.
Die Lage im Verkehrsgewerbe bleibt gespalten. Im Güterverkehr ist zumindest das Beförderungsvolumen annähernd zufriedenstellend, aber die erneut kräftig steigenden Kraftstoffpreise belasten die Gütertransporteure. Verzweifelt sind dagegen die Unternehmen in der Personenbeförderung. Busse wie Taxen sind kaum ausgelastet, ein wirtschaftlicher Betrieb derzeit unmöglich.
Die Geschäftslage der Banken ist unverändert zufriedenstellend. Das Kreditgeschäft mit Privat- und Geschäftskunden war im ersten Quartal expansiv. Die Geschäftserwartungen bleiben aufgrund der wirtschaftlichen Probleme etlicher Unternehmen und den absehbaren Kreditausfällen ungünstig. Die Versicherungen sind mit dem Neugeschäft nicht zufrieden, erwarten aber eine Belebung des Geschäfts und höhere Beitragseinnahmen.
Bei den Dienstleistungsunternehmen sind die Geschäftsverläufe zwischen den Branchen sehr unterschiedlich. Während die Bereiche Medien und IT, Immobilien, Beratung, Werbung sowie Architektur- und Ingenieurbüros mit der Geschäftsentwicklung zufrieden sind, haben Veranstalter und Dienstleister mit persönlichen Kontakten seit nunmehr einem Jahr kaum Umsätze.
Ausblick
„Die Industrie kommt dank eines wieder erstarkten Auslandsgeschäfts gut aus der Krise heraus. Aber Einzelhandel und persönliche Dienstleistungen kämpfen dagegen ums Überleben. Die Unternehmen sind frustriert vom Endlos-Lockdown und sehen kaum eine wirtschaftliche Perspektive. Eine mögliche Schließung aller Betriebe zur Eindämmung der Pandemie scheidet allerdings schon aus technischer Sicht aus. Ohne schnelle Erfolge beim Impfen ist somit keine durchgreifende Besserung zu erwarten. Die finanziellen Unterstützungen müssen daher bis zum Ende der Einschränkungen fortgesetzt werden“, so die Einschätzung des IHKN-Sprechers Dr. Hoppe.
Der IHK-Konjunkturklimaindikator gibt die Einschätzung der Unternehmen der gegenwärtigen und der erwarteten Geschäftslage wider.
Befragungszeitraum 24.03.2021-12.04.2021; 2025 Antworten
Die IHK Niedersachsen ist die Landesarbeitsgemeinschaft der IHK Braunschweig, IHK Hannover, IHK Lüneburg-Wolfsburg, Oldenburgischen IHK, IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim, IHK für Ostfriesland und Papenburg sowie IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum. Sie vertritt rund 495.000 gewerbliche Unternehmen gegenüber Politik und Verwaltung.
*Hannover, 16.4.2021