Konjunkturentwicklung unter langjährigem Durchschnitt

IHK-Konjunkturumfrage für Niedersachsen

Der schwache Export beschert der Industrie einen anhaltenden Abschwung, der nun auf die Binnenwirtschaft überzugreifen droht. Konsum, Bauwirtschaft und Dienstleister sind noch stabile Stützen der niedersächsischen Wirtschaft, die Stellenstreichungen in der Industrie signalisieren jedoch die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Der IHK-Konjunkturklimaindikator geht zum sechsten Mal in Folge zurück und liegt mit 105 Punkten (Vorq.: 110 Pkt.) für das zweite Quartal 2019 erstmals seit sieben Jahren unter dem langjährigen Durchschnitt. Das ist das Ergebnis der Konjunkturumfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern bei knapp 2.000 Unternehmen. „Ohne eine schnelle Lösung bei den Handelsstreitigkeiten ist ein Ende der Talfahrt nicht in Sicht“, so Dr. Horst Schrage, Hauptgeschäftsführer der IHK Niedersachsen.
Die Wirtschaftslage in Niedersachsen bleibt im zweiten Quartal trotz der vermehrten schlechten Nachrichten noch relativ gut: Die aktuelle Geschäftslage wird von 31 Prozent (Vorquartal: 33 %) der Unternehmen als gut beurteilt, 59 Prozent (Vorq. 58 %) sind zufrieden und nur elf Prozent (Vorq. 9 %) sind mit der Lage nicht zufrieden. Die Erwartungen an die kommenden Monate haben sich dagegen deutlich verschlechtert: 13 Prozent der Unternehmen (Vorq. 18 %) rechnen mit einer günstigeren Geschäftsentwicklung, 65 Prozent (Vorq. 62 %) erwarten keine Veränderung und 22 Prozent (Vorq. 20 %) rechnen mit einer ungünstigen Entwicklung.
Die Industrieentwicklung ist deutlich abwärts gerichtet. Das immer noch intakte Wachstum der binnenorientierten Branchen, vor allem in der Lebensmittel- und Bauzulieferindustrie, steht den rückläufigen Exporten der Investitionsgüterhersteller gegenüber. Die Beurteilungen der Auftragseingänge zeigen ebenso wie der Auftragsbestand, der erstmals seit 2016 ungünstig beurteilt wird, dass der Industrie positive Impulse fehlen. Vor dem Hintergrund der ungünstigen Konjunkturaussichten mehren sich die Bemühungen der Unternehmen, Kosten zu sparen, um die Produktivität wieder zu erhöhen. Dementsprechend haben nicht nur Großunternehmen ihre Beschäftigungspläne gekürzt. Neueinstellungen sind in der Industrie nicht mehr zu erwarten, die längerfristig angelegten Investitionen werden kaum noch zulegen.
Bei der wichtigsten Branche Niedersachsens, Automobilindustrie und Zulieferer, werden die konjunkturellen Probleme zunehmend von den strukturellen Verwerfungen rund um die Verkehrs- und Klimapolitik überlagert. Der Bereich Automotive meldet rückläufige Umsätze und sinkende Auftragseingänge. Die Branche rechnet mit weiter nachlassenden Geschäften. Die ebenfalls exportabhängigen Investitionsgüterhersteller (Maschinenbau, Elektrotechnik) berichten von einem stagnierenden Geschäft auf der Basis eines ausreichenden Auftragsbestandes. „Globale Handelsstreitigkeiten müssen schnell beendet werden, damit wieder Vertrauen gefasst werden kann. Zuvor ist nicht mit einer Belebung des Geschäfts zu rechnen“, so Dr. Schrage.
Der Boom der Bauwirtschaft hält an. Die ausgelasteten Kapazitäten treffen auf eine anhaltend hohe Nachfrage in allen Baubereichen. Die Auftragseingänge steigen und mittlerweile sorgen steigende Preise auch für eine bessere Ertragslage. Insgesamt stehen die Signale für die Bauwirtschaft weiter auf grün.
Im Einzelhandel ist die Geschäftslage im zweiten Quartal stabil. Die Geschäftserwartungen sind im Trend etwas schwächer. Gleichwohl rechnet der Handel insgesamt nicht mit rückläufigen Umsätzen. Mit schlechteren Geschäften rechnen die Autohäuser, der Handel mit Unterhaltungselektronik und die Schuhgeschäfte, wobei die beiden letztgenannten vor allem unter dem Online-Handel leiden. Die Warenhäuser/Verbrauchermärkte, Möbelgeschäfte, Apotheken und Sanitätshäuser sind dagegen mit den Geschäftszahlen eher zufrieden.
Der Großhandel berichtet weiter über solide Geschäfte und rechnet mit einer leichten Abschwächung in den kommenden Monaten. Bei den Umsatzerwartungen rechnen 30 Prozent der Großhändler mit zunehmenden Umsätzen, 15 Prozent gehen von rückläufigen Umsätzen aus. Spiegelbildlich zu den jeweiligen Kunden laufen die Geschäfte im Produktionsverbindungshandel nur mit wenig Dynamik, im konsumorientierten Großhandel dagegen merklich besser.
Der Abschwung der Industrie hat seit Jahresbeginn auch das Verkehrsgewerbe mit rückläufigem Beförderungsvolumen erreicht. Gleichzeitig sorgt der Fahrermangel für knappe Kapazitäten. Die Branche rechnet mit weiteren Preissteigerungen bei etwa gleich bleibendem Geschäft.
Die Geschäftsentwicklung der Banken hat sich im zweiten Quartal belebt. Das Kreditgeschäft mit Firmen- und Privatkunden ist trotz schwächerer Konjunktur lebhaft und in allen Bereichen expansiv. Die Aussichten auf längerfristig niedrige Zinsen geben dem Kreditgeschäft weiterhin viel Schwung. Die Versicherungen berichten von einer anhaltend guten Geschäftsentwicklung. Die Anzahl der Schäden bleibt rückläufig, das Neugeschäft wird nach Einschätzung der Versicherer expandieren.
Die Dienstleistungsunternehmen scheinen von der Konjunkturschwäche kaum betroffen. Die Geschäftslage ist unverändert gut, jeder dritte Dienstleister (32 %) berichtet von zunehmenden Auftragseingängen und nur jeder achte (13 %) von einer schlechteren Auftragslage. Die (Umsatz-) Erwartungen lassen weiteres Wachstum erwarten. Allein die Investitions- und Beschäftigungsplanungen wurden angesichts der schwächeren Industriekonjunktur etwas zurückgenommen. Insgesamt ist der Dienstleistungssektor aber unverändert positiv gestimmt.
Ausblick
„Die Industrie kommt von einem sehr hohen Niveau. Die Umsatzerwartungen zeigen auch, dass die Industrie keine wirklich schlechten Zeiten hat oder erwartet. Die schwachen Exporte drohen jetzt aber auf die Binnenkonjunktur überzugreifen. Die Wirtschaft braucht ein Signal, damit der Abschwung nicht weitergeht“, so Dr. Schrage.

IHK-Konjunkturklimaindikator für Niedersachsen
Der IHK-Konjunkturklimaindikator gibt die Einschätzung der Unternehmen der gegenwärtigen und der erwarteten Geschäftslage wider.

Die IHK Niedersachsen ist die Landesarbeitsgemeinschaft der IHK Braunschweig, IHK Hannover, IHK Lüneburg-Wolfsburg, Oldenburgischen IHK, IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim, IHK für Ostfriesland und Papenburg sowie IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum. Sie vertritt rund 460.000 gewerbliche Unternehmen gegenüber Politik und Verwaltung.

*Hannover, 16.7.2019*