Energiewende in Niedersachsen – Skepsis überwiegt weiterhin

Energiepolitische Unsicherheit belastet die Industrie
Eine Mehrheit der niedersächsischen Unternehmen beurteilt die Auswirkungen der Energiewende auf ihre Wettbewerbsfähigkeit nach wie vor negativ. Dies zeigen die Ergebnisse der Umfrage „Energiewende-Barometer Niedersachsen 2025“, die die IHK Niedersachsen in der gleichnamigen Ausgabe der Reihe „IHKN Fokus Niedersachsen“ vorstellt. Über 300 niedersächsische Unternehmen haben sich an der bundesweiten Befragung der IHK-Organisation beteiligt.
„Durch den erleichterten Ausbau von Wind- und Sonnenenergie ist das Stromangebot zwar gestiegen, doch die Preise bleiben hoch und die zögerliche Energiepolitik der Bundesregierung sorgt für Unsicherheit. Beides beschleunigt die Abwanderung von Industrie ins Ausland“, bewertet Monika Scherf, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen (IHKN), die Kernergebnisse der Umfrage.
Nach dem Tiefstand des Barometer-Werts, dem Indikator zur Sicht der Wirtschaft auf die Energiewende, von -9,8 Punkten im vergangenen Jahr, besserte er sich in der jüngsten Auswertung leicht auf -4,4 Punkte. Dies gilt allerdings nicht für die Industrie. Hier liegt der Barometer-Wert bei alarmierenden minus 32,1 Prozent.
Auch wenn sich der übergreifende Barometerwert leicht verbessert hat, ist diese Zahl aus Sicht von IHKN-Hauptgeschäftsführerin Scherf jedoch kein Grund zu feiern. Die skeptischen Stimmen in der Wirtschaft überwiegen weiterhin deutlich. So beurteilten 48,8 Prozent die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit als „sehr negativ“ oder „negativ“, nur 16,7 Prozent schätzen die Auswirkungen demgegenüber als „sehr positiv“ oder „positiv“ ein.
Die Energiewende bedeutet eine tiefgreifende Transformation für die Wirtschaft. Sie erfordert von Unternehmerinnen und Unternehmern umfangreiche Investitionsentscheidungen, die jedoch zunehmend gefährdet sind: Überbordende Bürokratie, unsichere politische Rahmenbedingungen und hohe, wenig kalkulierbare Energiepreise belasten die Unternehmen. Fast jeder dritte Betrieb in Niedersachsen gibt in der aktuellen Umfrage an, aufgrund der Energiepreise Investitionen in Kernprozesse zurückzustellen, jedes vierte Unternehmen investiert zukünftig weniger in den Klimaschutz. 42 Prozent berichten von einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit – Tendenz steigend. In der Industrie ist die Lage noch angespannter: Dort sehen fast zwei Drittel der Betriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt.
„Wenn ich heute nicht weiß, ob meine Investition in eine Technologie in Zukunft bezahlbar oder überhaupt legal ist, erlaube ich mir als Unternehmer keine hohen Investitionen“, erklärt IHKN-Sprecher Energie, Hartmut Neumann. Die Gefahr sieht er vor allem in einem Investitionsstau, in den der Wirtschaftsstandort Niedersachsen damit langfristig läuft. Es dürfe nicht passieren, dass Unternehmen aufgrund mangelhafter politischer Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb den Anschluss verlieren.
Besorgniserregend sind in diesem Zusammenhang die Stimmen aus der niedersächsischen Industrie: Dort ist die Abwanderung bzw. Produktionsverlagerung bei fast einem Drittel der befragten Unternehmen ein Thema. Damit bleibt die Verbesserung der Standortbedingungen auch in Niedersachsen eine zentrale Aufgabe, um diese Deindustrialisierung aufzuhalten.
Trotz widriger Rahmenbedingungen halten die Betriebe an ihren Klimaschutzzielen fest. Zwar arbeiten laut Umfrage erst knapp drei Prozent der Unternehmen klimaneutral, doch fast 90 Prozent haben sich ein konkretes Jahresziel gesetzt, um Klimaneutralität zu erreichen. Die meisten Unternehmen (48 %) nennen dabei das Jahr 2045, das dem Klimaziel des Bundes entspricht. „Nur 41 Prozent der Unternehmen wollen schon 2040 oder früher klimaneutral sein. Damit stellt sich zunehmend die Frage, ob das ambitionierte Klimaziel des Landes Niedersachsen – Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 – realistisch und wirtschaftlich erreichbar ist“, gibt Björn Schaeper, IHKN-Sprecher Umwelt, zu bedenken. Klimaschutz funktioniere nur gemeinsam mit der Wirtschaft.
Um allerdings Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen, fordern die Unternehmen gezielte politische Maßnahmen:
  • Strompreise senken: 87 Prozent der Unternehmen sprechen sich für eine Reduktion staatlicher Abgaben und Steuern aus.
  • Eigenversorgung stärken: Fast 80 Prozent wünschen bessere Bedingungen für Eigenstromproduktion und Direktlieferverträge.
  • Weniger Bürokratie: 78 Prozent fordern Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit als Leitprinzipien bei Energieeffizienzvorgaben.
IHKN-Hauptgeschäftsführerin Scherf appelliert abschließend: „Mit verlässlicher, pragmatischer Politik, die den Unternehmen mehr Eigenverantwortung gibt, kann Niedersachsens Wirtschaft die Transformation zum Erfolg führen. Wachstum und Klimaschutz sind keine Gegensätze – wenn jetzt die richtigen Weichenstellungen erfolgen.“
Der Fokus Niedersachsen „Energiewende-Barometer Niedersachsen 2025 - Unternehmen beurteilen Auswirkungen der Energiewende auf ihre Wettbewerbsfähigkeit weiterhin deutlich negativ (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 4042 KB)“ stellt die Umfrageergebnisse detailliert vor und bewertet diese aus Sicht der niedersächsischen Wirtschaft. Er steht in der rechten Spalte zum Download bereit.
Der Fokus Niedersachen erscheint in regelmäßigen Abständen zu aktuellen Themen aus Wirtschaft und Politik. Die aktuelle Ausgabe sowie die bereits erschienenen Publikationen sind unter www.fokus-niedersachsen.de zu finden.
Die IHK Niedersachsen ist die Landesarbeitsgemeinschaft der IHK Braunschweig, IHK Elbe-Weser, IHK Hannover, IHK Lüneburg-Wolfsburg, Oldenburgischen IHK, IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim sowie IHK für Ostfriesland und Papenburg. Sie vertritt rund 520.000 gewerbliche Unternehmen gegenüber Politik und Verwaltung.
Hannover, 12.12.2025