Vierter Niedersächsischer Energiedialog

Vertreter der Wirtschaft diskutieren beim IHKN-Energiedialog mit dem Umweltausschuss des Landtags über die Herausforderungen für energieintensive Unternehmen und Power-to-Gas

Bei der Georgsmarienhütte GmbH im Süden von Osnabrück trafen sich am 20. Mai 2019 zum vierten Mal die Mitglieder des Landtagsausschusses für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz mit Vertretern der Wirtschaft Niedersachsens im Rahmen des jährlichen Energiedialogs der IHK Niedersachsen (IHKN). Organisiert wurde dieser 4. Niedersächsische Energiedialog von der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim, deren Mitgliedsunternehmen die Georgsmarienhütte GmbH ist. IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf wies in seiner Begrüßung auf die Bedeutung des Tagungsortes hin: „Wir sind heute in einem Stahlwerk zu Gast. In der Auswahl dieses Ortes liegt eine Botschaft: Niedersachsen ist Industrieland und soll es auch bleiben“, so Graf. Beim klassischen Zieldreieck der Energiepolitik seien allerdings die technische Verfügbarkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Preise zuletzt in den Hintergrund gerückt. Nur bei der Umweltverträglichkeit gäbe es messbare politische Ziele. „Diese Ziele brauchen wir auch bei der Verfügbarkeit und bei den Preisen. Nur so kommt die Energiewende wieder ins Gleichgewicht“, betonte Graf.
Im Zentrum des Energiedialogs stand in diesem Jahr die Frage, welchen Herausforderungen sich energieintensive Unternehmen in der Energiewende stellen müssen und wie Power-to-Gas in der Mobilität genutzt werden kann.
Der technische Geschäftsführer der Georgsmarienhütte GmbH Dr. Michael Merz stellte klar: „Der Klimawandel ist ein physikalischer Fakt. Dem können und wollen wir uns nicht entziehen.“ Bei Georgsmarienhütte werde das Energiemanagement mittlerweile gleichwertig zur Produktion behandelt. „Wir können mit Überzeugung sagen, dass unsere Stahlerzeugung nahezu ‚grün‘ ist“, so Dr. Merz weiter. Die Elektrostahlerzeugung aus Schrotten und Legierungen erfolge ausschließlich mit Strom, dabei werde nur etwa ein Fünftel an CO2 gegenüber der Hochofenstahlerzeugung ausgestoßen. Entscheidend seien aber auch weiterhin die Verlässlichkeit der Versorgung und der Preis von Strom.
„Die Industrie ist Teil der Lösung, nicht Teil des Problems“, machte Gerhard Hochstein, Geschäftsführer der Felix Schoeller Group, in seinem Impulsvortrag deutlich. Der Osnabrücker Hersteller von Spezialpapieren vertreibt seine Produkte weltweit und stellt sich dem internationalen Wettbewerb. „Wir wollen weiter in Deutschland produzieren“, bekräftigte Hochstein. Doch dafür sei wieder deutlich mehr Akzeptanz für industrielle Tätigkeit in der Bevölkerung nötig. Und eine gesicherte Energieversorgung auch noch in 30 Jahren. Mit der zugespitzten Frage: „Wollen wir einen Deal machen?“ wandte Hochstein sich direkt an die Landtagsabgeordneten. Die Papierindustrie sei bereit, die Herausforderungen einer veränderten Energieerzeugung anzunehmen. Die Politik müsste jedoch wieder für deutlich mehr Industrieakzeptanz werben und die Grundlagenforschung fördern. Vor allem müsste der gesetzliche Rahmen verlässlich sein: „An der Wechselhaftigkeit politischer Entscheidungen und gesetzgeberischer Regelungen können Unternehmen letztlich auch kaputt gehen“, so Hochstein.
„Ein Akzeptanzproblem haben wir in der Region zwar nicht“, führte Reimund Laermann von der Georgsmarienhütte in seinem Impulsvortrag aus. „Eine große Herausforderung für uns ist es aber, unsere Mitarbeiter bei unseren Anstrengungen für mehr Energieeffizienz mitzunehmen“, so Laermann. Der Leiter des Energiemanagements erläuterte konkrete Maßnahmen und Erfolge bei der Einsparung von Ressourcen in den letzten Jahren. Die Georgsmarienhütte GmbH war eines der ersten Unternehmen, die sich der Exzellenzinitiative „Klimaschutz-Unternehmen“ e. V. der deutschen Wirtschaft angeschlossen haben. „In den letzten Jahrzehnten habe ich lernen müssen, dass wir zwar große Teile der Bevölkerung für mehr Energieeffizienz begeistern können, aber eben nicht alle“, so Laermann weiter. Das hindere das Unternehmen aber nicht daran, auch zukünftig den Weg als Klimaschutz-Unternehmen weiterzugehen. „Dabei brauchen wir dringend einfachere, anwenderfreundliche Gesetze in der Energiewirtschaft“, so Laermann. Der Aufwand zur Erfüllung mancher gesetzlicher Vorgaben stünde in keinem Verhältnis zum damit verfolgten Ergebnis.
„Der gesetzliche Rahmen passt nicht mehr zur neuen Energiewelt“, sagte Dr. Ruprecht Brandis, Leiter der Berliner Vertretung von BP Europa SE, im letzten Impulsvortrag des Tages. Das erschwere auch den Einsatz von Energie aus den Erneuerbaren Energiequellen im Bereich der Mobilität. Sowohl der Gesetzgeber in Brüssel als auch der in Berlin sei gefordert, dies so schnell wie möglich zu ändern. Brandis erläuterte den Einsatz von „grünem“ Wasserstoff in der Raffinerie von Erdöl zu Flüssigkraftstoffen. „Jeder Raffinerieprozess braucht Wasserstoff“, so Brandis. „Wasserstoff hergestellt mit Hilfe Erneuerbarer Energien könnte deutlich zur CO2-Einsparung in der Raffinerie beitragen“. Doch bisher werde dies vom Gesetzgeber nicht bei der Minderung von Treibhausgasen aus dem Verkehr angerechnet. „Selbst wenn wir die Ziele der Nationalen Plattform erreichen und an die zehn Millionen E-Fahrzeuge bis 2030 auf unseren Straßen fahren werden: Der überwiegende Anteil wird weiterhin aus Benzin- und Dieselautos bestehen“, stellte Brandis klar. Deshalb müssten CO2-Reduktionen auch bei der Herstellung dieser Kraftstoffe anerkannt werden.
„Wer Klartext spricht, riskiert, verstanden zu werden: Wir haben verstanden!“, resümierte Dr. Jan Amelsbarg, Sprecher Energie der IHK Niedersachsen, den diesjährigen Energiedialog. „Die Wirtschaft ist bereit zu handeln, sie braucht aber auch den passenden Rahmen und geeignete Unterstützung seitens der Politik dafür“.
Die IHK Niedersachsen ist die Landesarbeitsgemeinschaft der IHK Braunschweig, IHK Hannover, IHK Lüneburg-Wolfsburg, Oldenburgischen IHK, IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim, IHK für Ostfriesland und Papenburg sowie IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum. Sie vertritt rund 460.000 gewerbliche Unternehmen gegenüber Politik und Verwaltung.
*Hannover, 27.5.2019*