Befreiungsschlag nicht in Sicht

Die Konjunktur in Niedersachsen bleibt in der Flaute und erholt sich nur sehr langsam. Die Geschäftslage und die Erwartungen haben sich im zweiten Quartal unter dem Eindruck erster Reformen in Deutschland bei gleichzeitigen Un­sicherheiten im Export kaum erholt. Das niedrige Niveau der Indikatoren und die schwachen Investitionsplanungen zeigen, dass die Unternehmen unverändert auf weitreichende Reformen warten.
„Die neue Bundesregierung hat zwar erste konkrete Reformen für die Unternehmen wie den Industriestrompreis umge­setzt, aber dabei auch ersten Kredit bei Handel und Dienstleistungen verspielt, die nicht wie zunächst ankündigt berücksichtigt wurden“, so Maike Bielfeldt, Haupt­geschäfts­führerin der IHK Niedersachsen. „Wirtschaftspolitik muss ver­lässlich sein. Die Bundesregierung darf nicht in das Hin und Her der Ampel-Regierung zurückfallen.“
Der IHK-Konjunkturklima­indikator für das zweite Quartal 2025 steigt um drei auf 92 Punkte (Vor­quartal: 89 Pkt.). Das ergab die Konjunktur­umfrage der niedersächsischen Industrie- und Handelskammern bei knapp 2.400 Unternehmen.
Die aktuelle Geschäftslage wird im Sommer kaum besser eingeschätzt als im Frühling oder zu Jahresbeginn. 21 Prozent (Vorquartal: 22 %) der Unternehmen sehen die Lage als gut an, 54 Pro­zent (Vq. 52 %) sind zufrieden und 24 Prozent (Vq. 27 %) beurteilen ihre Lage als schlecht. Die Erwartungen an die kommenden Monate haben sich minimal verbessert: 13 Prozent der Unternehmen (Vq. 12 %) rechnen mit einer günstigeren Geschäftsent­wicklung, 60 Prozent (Vq. 61 %) erwarten gleichbleibende Geschäfte und 27 Prozent (Vq. 28 %) rech­nen mit einer ungünstigen Entwicklung. Wichtige Stimmungs- und Planungsindikatoren haben sich zwar verbessert, bleiben aber ausnahmslos im ungünstigen Bereich und unterhalb der langfristigen Mittelwerte. Immerhin haben sich die Zolldrohungen, die seit Monaten für Unsicherheit sorgten, zumindest bislang nicht bewahrheitet. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der Anstieg der Exporterwartungen im Vergleich zum Vorquartal.
Die Geschäftsentwicklung der Industrie bleibt nicht zufriedenstellend. Einer positiven Entwicklung bei den Vorleistungsgüterherstellern steht eine schwächere Tendenz bei Ge- und Verbrauchsgütern gegenüber. Bei den Investitionsgütern hat die Elektrotech­nik deutlich die Nase vorn. Die Auftragseingänge haben sich insgesamt nur leicht ver­bes­sert, der Auftragsbestand bleibt im Saldo aber unbefriedigend. Bei den energie­intensi­ven Branchen wie der chemischen Industrie hat sich die Lage mit der Aus­sicht auf niedrigere Energiepreise verbessert.
Die Lage der Bauwirtschaft hat sich mit dem Sondervermögen für Infra­struktur deut­lich verbessert. Allerdings sind davon noch keine konkreten Aufträge bei den Unter­nehmen angekommen. Davor stehen Planungen, Genehmigungen, Widersprüche, Gutachten, Ausschreibungen und Beauftragungen. Schwierig bleibt die Situation allerdings im Wohnungsbau. Die Zinssenkungen beleben aktuell das Kreditgeschäft der Banken, was sich in Kürze im Eigenheimbau positiv auswirken könnte.
Die Geschäftslage im Einzelhandel hat sich auf niedrigem Niveau leicht verbessert. Erkennbar stabilisiert hat sich die Entwicklung bei Nahrungs- und Genussmitteln. Auch die Apotheken und Sanitätshäuser rechnen mit weiter steigenden Umsätzen. Die Geschäfte des Großhandels sind durch den Zollwirrwarr geprägt. Während der Binnengroßhandel stagniert, haben sich die Erwartungen im Bereich Import/Export deutlich verschlechtert: Jeder dritte Großhändler rechnet mit einem rückläufigen Aus­landsgeschäft.
Die Geschäftslage des Verkehrsgewerbes zeigt sich leicht verbessert. Das Beför­derungs­volumen hat im zeiten Quartal auf niedrigem Niveau zugenommen. Für die kommenden Monate wird von einem gleichbleibendem Beförderungsvolumen aus­gegangen.
Das Gastgewerbe war mit den Übernachtungszahlen im zweiten Quartal zufrieden. Die Umsätze im Restaurationsbereich waren jedoch in knapp jedem zweiten Betrieb rückläufig. Die Erwartungen der Branche sind trotz der geplanten Umsatzsteuer­senkung auf Speisen eher rückläufig. Die Belastungen durch Kosten (Mindestlohn, Einkauf) scheinen für die Unternehmen zu überwiegen.
Anhaltend gute Geschäfte meldet der Finanzsektor. Bei den Kreditinstituten nimmt das Kreditgeschäft bei Privat- und Geschäftskunden weiter zu. Bei den Versicherun­gen steigen die Beitragseinnahmen und das Neugeschäft.
Die Umsätze der Dienstleistungsunternehmen stagnieren, die Umsatzerwartungen erreichen allerdings den höchsten Wert seit vier Jahren. Auch bei der Zeitarbeit haben sich die Perspektiven verbessert. Die robuste Geschäftsentwick­lung wird sich damit fortsetzen.

Ausblick

„Wir brauchen einen grundsätzlichen Vor­rang für Infrastrukturinvestitionen, so wie es die niedersächsische Landesregierung für Funkmasten und Glasfasernetze anstrebt“, sagte IHKN-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt. „Diese klare Orientierung an Investitionen statt an juristischem Klein-Klein bringt endlich mehr Tempo für das Land. Benötigt wird mehr unternehmerische Freiheit durch weniger Bürokratie, mehr digitale Prozesse in der Verwaltung und echte Strukturreformen in der Sozialversicherung, um die hohen Lohnnebenkosten wieder in den Griff zu bekommen“, so die Einschät­zung Bielfeldts.
Der IHK-Konjunkturklimaindikator gibt die Einschätzung der Unternehmen der gegen­wärtigen und der erwarteten Geschäftslage wider.
Befragungszeitraum 19.06.2025 - 07.07.2025; 2.390 Unternehmensantworten

Die IHK Niedersachsen ist die Landesarbeitsgemeinschaft der IHK Braunschweig, IHK Elbe-Weser, IHK Hannover, IHK Lüneburg-Wolfsburg, Oldenburgischen IHK, IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim sowie IHK für Ostfriesland und Papenburg. Sie vertritt rund 520.000 gewerbliche Unternehmen gegenüber Politik und Verwaltung.

Hannover, 14.07.2025